Der Weg der Lebensmittel in die Großküchen – ein Besuch beim Frankfurter Großhändler Lindnerfood 

Bild von Lindner GmbH Fruchtimport und Handelsgesellschaft

Deutschlands Abhängigkeit von Lebensmittelimporten

Deutschland importiert 80 % seines Obst- und 65 % seines Gemüsebedarfs. Diese Zahlen zeigen, dass Regionalität und Saisonalität eine untergeordnete Rolle spielen, während Qualität – oft definiert durch persönliche Präferenzen wie Aussehen und Geschmack – dominiert. Jährlich werden somit ca. 4,3 Millionen Tonnen Obst und 5,6 Millionen Tonnen Gemüse importiert, was einer Menge von etwa 382.000 40-Tonner LKWs entspricht1.

Lindnerfood im Frischezentrum Frankfurt

Um diese gewaltigen Mengen an Lebensmitteln zu transportieren, braucht es ein gut laufendes Logistiknetz. Ein Teil dieses Netzes sind Großmärkte. Obwohl Großmärkte unter starkem Konkurrenzdruck mit holländischen und deutschen Großhändlern, wie Metro Cash & Carry oder Transgourmet, stehen, schätzen noch viele Kunden die Flexibilität des typischen Großhandels. Im Frankfurter Norden im Stadtteil Kalbach ist Frankfurts Großmarkthalle zu finden: das Frischezentrum Frankfurt, eröffnet im Jahr 2004, ist eine der modernsten Großmarkthallen Deutschlands und beherbergt etwa 60 Großhändler:innen. Unter ihnen befindet sich die Lindner GmbH, bestehend aus 150 Mitarbeitenden und einer Fahrzeugflotte von neunzehn Kühl-LKWs (12 und 3,5 Tonner) sowie Spediteuren. Ursprünglich spezialisiert auf Obst und Gemüse, bietet Lindnerfood heute als Vollsortimenter viele Lebensmittelprodukte aus einer Hand an, vor allem für Betriebe der Außer-Haus-Verpflegung und des unabhängigen Einzelhandels.

Regionale inhabergeführte Erzeugerstruktur 

In den letzten Jahren haben sich Erzeugerbetriebe stark auf ihre Kundenstruktur spezialisiert, insbesondere um den Anforderungen großer Lebensmitteleinzelhändler (LEH) gerecht zu werden. Diese benötigen große Mengen, die nur von Erzeuger:innen mit entsprechender Anbaufläche und Infrastruktur bereitgestellt werden können. Kleinere Betriebe greifen daher oft auf Genossenschaften zurück, um ihre Produkte zu vermarkten. Diese Konzentration auf wenige, große Abnehmer führt zu einer hohen Abhängigkeit, die oft durch Anbauverträge noch verstärkt wird.

Um diese Abhängigkeit zu verringern, haben viele Erzeuger:innen ihre Vermarktungsstrategien diversifiziert. Die Direktvermarktung an Endverbraucher:innen, wie über Hofläden, Wochenmärkte oder Spargel- und Erdbeerstände, hat in den letzten Jahren zugenommen. Dieser Ansatz führt zwar zu höheren Vertriebskosten, ermöglicht aber auch bessere Margen. Eine weitere Strategie ist die verstärkte Zusammenarbeit mit dem Großhandel, die das Risiko verteilt und die Abhängigkeit von einzelnen großen Kunden reduziert.

Lindnerfood bevorzugt die Zusammenarbeit mit mittelständischen, inhabergeführten Betrieben, die nicht nur in guten Zeiten zuverlässig liefern, sondern auch in herausfordernden Zeiten, wie bei schlechtem Wetter, wenn die Ware knapp wird. In solchen Situationen neigen Erzeuger:innen dazu, große Supermärkte bevorzugt zu beliefern, da hier (vermeintliche) Lieferverpflichtungen eingegangen worden sind. Lindnerfood legt Wert auf den Aufbau und die Pflege langfristiger Lieferbeziehungen, unabhängig davon, ob es sich um regionale Erzeuger, Erzeugergenossenschaften oder Importeure handelt. Diese Arbeit ist für den Betrieb der Schlüssel zum Erfolg und zur Differenzierung. 

Regionalität und Saisonalität werden auch in der AHV nachgefragt. Viele der von Lindnerfood bezogenen Produkte stammen aus einem Umkreis von etwa 100 km, wobei besonders die Nachfrage nach ultrafrischen, sofort zu verzehrenden Produkten wie “ready cuts” steigt. Diese werden für Lindner vor allem von einem spezialisierten Schneidebetrieb aus Nordbayern hergestellt. Grund für die Nachfrage nach Convenience Food, wie ready cuts, ist vor allem der enge Personalschlüssel in Großküchen, der Routinetätigkeiten, wie Waschen, Schälen, Schneiden, nicht mehr zulässt. Haupttreiber ist nicht der Personalabbau, sondern schlichtweg, dass aufgrund des Fach- und Arbeitskräftemangels die Ressourcen nicht mehr zur Verfügung stehen, um z.B. dezentral Kartoffeln zu schälen.

Regionalität als Element nationaler Netzwerke

Regionale Produkte zur Saison seien nicht unbedingt teurer, so Stefan Lindner, Geschäftsführer und Inhaber von Lindnerfood, und würden sogar von Händlern bevorzugt, weil die kurzen Strecken die Flexibilität zwischen Lieferant:innen und Händler:innen erhöhen. Regionalität auf ein Bundesland zu beziehen, wie es die Regionalmarke „Gutes aus Hessen“ vorsieht, sei für Hessen eigentlich zu spezifisch, so Lindner, denn in vielen Fällen könnten die geforderten Mengen aufgrund der eher kleinbäuerlichen Strukturen des Bundeslands nicht geliefert werden. Auch sind die Anbaugebiete in Rheinland-Pfalz und Bayern (Franken) deutlich regionaler und näher zum Rhein-Main-Gebiet als z.B. Nordhessen.

Außerdem benötigen Kund:innen, die deutschlandweit Standorte betreiben (z.B. Caterer von Betriebsrestaurants oder Hotelketten) einen hohen Grad an nationaler Standardisierung. So müssen Rezepturen einheitlich umgesetzt und LMIV (Lebensmittelinformationsverordnung) -Anforderungen erfüllt werden. Beispielsweise muss das Salatdressing überall einheitlich sein, der Salat selbst aber aus der Region des jeweiligen Standorts kommen. Als Mitglied von CF Gastro kann Lindner genau solche spezifischen Kundenanforderungen abdecken. CF Gastro fungiert dabei als zentraler Ansprechpartner für national vertretene Kunden, um Sortimente, Preise und Verfügbarkeiten abzustimmen. Die Auslieferung jedoch erfolgt über einen der über 30 angeschlossenen Großhändler. 

Die Lieferantenstruktur der bundesweit agierenden Gastronomieunternehmen kann für regionale Projekte und Initiativen, wie LogRegio, sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung darstellen. Einerseits kann sie als Türöffner fungieren, insbesondere wenn ein nationaler Kunde bereits Produkte wie Salate und Gemüse über CF Gastro bezieht und diese bei einem regionalen Lieferpartner wie Lindnerfood gelistet sind. Andererseits kann der Prozess komplizierter werden, wenn es um Sortimente geht, die noch nicht gelistet sind, wie beispielsweise Leguminosen. In solchen Fällen ist eine Abstimmung mit allen Beteiligten der Lieferkette erforderlich.

Die Logistik bei Lindnerfood – Flexibel und kundenorientiert

Bei der Auswahl neuer Lieferanten für Lindnerfood werden potenzielle Betriebe hinsichtlich ihrer Flexibilität, Mengenkapazität und Selbstvermarktungsintensität geprüft. Die Größe des Unternehmens spiele erst einmal keine Rolle bei der Auswahl, so Lindner. Der Transport zu Lindnerfood erfolgt dann entweder über eine eigene Anlieferung seitens des Erzeugers, über Speditionen oder im Rahmen bestehender Touren, um den Auslastungsgrad der eigenen Fahrzeuge zu verbessern. Importe aus Europa werden nach einem Umschlag im Herkunftsland oder auf dem Weg nach Frankfurt gebündelt angeliefert. Die Beschaffung bei Lindnerfood erfolgt überwiegend per LKW für europäische Ware, während Obst und Gemüse international meistens über den Schifftransport, selten aber auch in Passagierflugzeugen transportiert wird. Hier spielt die Nähe zum Frankfurter Flughafen, gleichzeitig einer der größten Fischmärkte Europas, eine entscheidende Rolle. 

Der Fokus im Transport liegt auf Lieferfähigkeit und Kundenzufriedenheit, nicht nur auf maximaler Auslastung der eigenen Fahrzeuge. Als Teil von CF Gastro nutzt Lindnerfood auch Lagerflächen, um für Verbund-Händler Waren zwischenzulagern und organisiert den Transport mit seiner Fahrzeugflotte, die täglich ein bis zwei Touren mit bis zu 20 Stopps durchführen. 

Fazit

Der Besuch bei Lindnerfood zeigte uns eindrücklich, welche Rolle Großhändler für die AHV spielen und wie sie die Balance der unterschiedlichen Kundenbedürfnisse zwischen Warenverfügbarkeit seitens des globalen Marktes und regionaler Wertschöpfung meistern können.