Warum Frankfurt ein House of Food braucht – Packen wir‘s gemeinsam an!
Im Kampf gegen die Klimakrise taucht europaweit das Schlagwort „kurze Lieferketten“ auf. Denn um Emissionen einzusparen, müssen wir uns nicht nur zu Hause, sondern auch in Restaurants, Kitas und Schulen, in Betrieben und Krankenhäusern ökologischer, regionaler, saisonaler und pflanzlicher ernähren. Das House of Food des Ernährungsrats Frankfurt (https://house-of-food-ffm.de) wirbt mit städtischer Förderung für eine klimafreundliche Gemeinschaftsverpflegung – und fordert nun klare Ansagen von der Stadt: Schulen und Kitas sollen möglichst auf regionales Bio-Essen umstellen.
Anfang Oktober haben Engagierte aus 21 europäischen Staaten im spanischen Pamplona über Veränderungen des Ernährungssystems beraten. Als eine von insgesamt 40 Botschafter:innen des aus EU-Mitteln geförderten Projekts COCOreado (https://cocoreado.eu/) konnte Anna-Mara Schön, Mitglied im Ernährungsrat Frankfurt und im Vorstand des Trägervereins Bionales e.V., daran teilnehmen.
Regionale Lieferketten wurden europaweit vernachlässigt
Bei allen Differenzen in den unterschiedlichen Ländern gibt es eine Gemeinsamkeit: Regionale Nahrungsmittelketten sind teurer als globale und wurden aus eben diesem Grund in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt und massiv abgebaut.
Die Abhängigkeiten, die damit einhergehen, sind überall drastisch zu spüren: Junge Leute sind schwer zu motivieren, in die Produktion von Lebensmitteln einzusteigen – zu hart und zu schlecht bezahlt erscheint die Arbeit. Lieber werden billige Arbeitnehmer:innen aus Drittstaaten angeheuert und aufgrund ihrer verletzlichen sozialen Situation ausgebeutet. In fast allen europäischen Ländern ist der Einstieg junger Landwirt:innen extrem schwierig – Land ist zu teuer und kaum verfügbar. Es wird für Spekulationen benutzt und steht eher reichen Investor:innen zur Verfügung, als Menschen, die Eier, Milch, Fleisch, Gemüse, Obst oder Getreide produzieren möchten.
Junge Leute wieder motivieren
Kleine landwirtschaftliche Betriebe können sich kaum am Markt halten, werden gezwungen, ihr Land zu verkaufen oder sind schlicht zu müde, um weiterzumachen. Regionale Verarbeitungsbetriebe wie Mühlen, Molkereien und Anlagen zur Aufbereitung von Hülsenfrüchten sowie Schneidebetriebe von Gemüse haben nach und nach aufgegeben und fehlen nun.
Um Kosten zu sparen, wurden Kantinenküchen so abgespeckt, dass vor allem vorverarbeitetes Gemüse zubereitet werden kann. Das Wissen, wer in der Region eigentlich was und wieviel produziert, ist nicht verbreitet. Faire logistische Strukturen fehlen. All diese Zusammenhänge führen dazu, dass regionale Produkte in ganz Europa kaum noch auf Speisekarten erscheinen.
Im Kampf gegen die Klimaerwärmung, gegen den Verlust von Biodiversität und Boden genauso wie gegen den Verlust von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum brauchen wir aber kurze Lieferketten (https://t1p.de/rx0st). Nur so können wir Transporte einsparen, die Produktion unserer Nahrungsmittel transparent machen und daraus resultierend eine Verbindung mit unserer Ernährung wiederherstellen.
Das sollte dazu führen, junge Leute für die Erzeugung unserer Nahrung zu begeistern und somit Arbeitsplätze in der Region zu schaffen. Zusätzlich muss die Erzeugung von regionalem Fleisch, Getreide und Gemüse – unter den Augen der Gesellschaft, die nun hinschauen kann, weil sie Höfe besuchen und in Kontakt mit den Erzeugenden kommen kann – auf nachhaltige Weise geschehen.
Nachhaltig bedeutet:
- Verzicht auf Pestizide und Fungizide
- Einsatz von nachhaltig produziertem Dünger wie Mist und Kompost
- Streben nach Tierwohl
- Aufbau von Humus im Boden
- Nutzung und Züchtung von dürre- und starkregenresistenten Pflanzen
Ermutigende Beispiele von Kopenhagen bis San Francisco
Wassersparende und regenerative Landwirtschaft sind keine idealistischen Vorstellungen, sondern die einzige Möglichkeit, dass sich auch kommende Generationen ernähren können, ohne den Tod von Millionen von Menschen, hauptsächlich im globalen Süden, in Kauf zu nehmen.
Diese recht einfache Vision trifft jedoch auf sehr viele Hindernisse und Widerstand – kein Geld, keine Logistik, keine Produkte, keine Weiterverarbeitung, keine IT, kein Verständnis aufseiten der Gäste, so heißt es immer wieder ablehnend. Doch ist das wahr? Ist der Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten im heutigen hart umkämpften kapitalistischen Markt machbar oder wirklich nur eine Utopie?
Funktionierende Beispiele in Städten und mutige Schritte in diese Richtung in Europa und weltweit beweisen: Es kann funktionieren, wenn alle umdenken und bereit sind, sich selbst und eingefahrene Prozesse zu ändern. Kopenhagen, der europäische Vorreiter, hat es geschafft, in Schulkantinen auf 90 Prozent bio, zum Großteil aus der Region und ohne höhere Kosten umzustellen (https://t1p.de/leq17). Finnland arbeitet gerade daran, genauso wie Berlin (https://t1p.de/n80tn).
Der englische North-East Summerset Council kauft regionaler ein, die Region Navarra in Spanien hat verschiedene von der Regierung unterstützte Kooperativen gegründet, um regionale Beschaffung zu ermöglichen. San Francisco hat sich dem Good Food Purchasing Program angeschlossen (https://t1p.de/uenhl).
Küchenstammtisch für Köch:innen
Dass die Stadt Frankfurt im Prinzip die Versorgung mit regionaler und biologischer Nahrung fördern will, beweist sie sowohl mit der Unterzeichnung des Milan Urban Food Policy Pacts (https://t1p.de/tblu6) als auch mit einer Unterstützung von 30.000 € an den Ernährungsrat Frankfurt für den Aufbau des House of Foods (https://house-of-food-ffm.de/).
Seit dem 1. Oktober 2022 ist Sarah Dias im House of Food Ansprechpartnerin für Kantinen und Restaurants.Die studierte Sozial- und Politikwissenschaftlerin mit Fokus auf Umwelt- und Globalisierungsprozesse hat sich bereits bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mit klimafreundlicher Gemeinschaftsverpflegung befasst. Das House of Food lädt interessierte Köch:innen regelmäßig zu einem Küchenstammtisch ein, bei dem Erfahrungen und Ideen ausgetauscht werden. Kontakt: sarah.dias@house-of-food-ffm.de.
Nun muss die Stadt einen weiteren Schritt gehen und klare Zusagen machen, damit Schulkantinen sowie Kindertagesstätten zum Großteil biologisch erzeugte, saisonale Lebensmitteln aus der Region beziehen. Der Ernährungsrat Frankfurt hat die passenden europäischen sowie regionalen Netzwerke und Partnerschaften sowie Mut und Willen, diesen Weg zu begleiten.Gemeinsam mit der Kooperative Frankfurt (www.diekooperative.de) und anderen Partnern arbeiten wir seit Oktober intensiv an Konzepten und Lösungen. Liebe Stadt Frankfurt, packen wir es gemeinsam an?!