Transportbündelung durch Landwirte: Wann braucht es eine Güterverkehrslizenz?

Autorin: Marita Böhringer | Foto: iStock, Quelle: Nes

Die regionale Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte gewinnt zunehmend an Bedeutung – sowohl für die Produzenten als auch für die Abnehmer in der Außer-Haus-Verpflegung. Großabnehmer benötigen in der Regel allerdings möglichst gut gebündelte Anlieferungen. Steigende Transportkosten und hohe Anforderungen an gebündelte Anlieferungen führen dazu, dass Kooperationsstrukturen im Transport (bspw. die Mitnahme von Waren Dritter auf bestehenden Touren) sinnvoll sein können: Sie ermöglichen eine bessere Auslastung der Fahrten, wodurch Logistikkosten reduziert werden können, zugleich tragen sie dazu bei, die Nachfrage nach regionalen und gebündelten Lieferungen zu bedienen.

Mit dem Projekt LogRegio möchten wir dazu beitragen, dass regionale Logistik besser ausgelastet und leichter verfügbar wird. Wir unterstützen Betriebe, bestehende Strukturen besser auszulasten und neue Kooperationen mit Partnerbetrieben aus der Region aufzubauen. Dafür entwickeln wir den Marktplatz für regionale Logistikkapazitäten auf nearbuy. Er kann von Betrieben genutzt werden, die ihre Ware anderen mitgeben möchten, aber auch Logistikern und Produzenten, die Ware anderer mitnehmen möchten.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Unter welchen Voraussetzungen darf Ware anderer mitgenommen werden, und wann ist für solche Warenmitnahmen eine Güterverkehrslizenz erforderlich?

Der folgende Blogbeitrag fasst zusammen, was unter einer Güterverkehrslizenz zu verstehen ist, wann der Erwerb dieser Lizenz erforderlich ist und welche Vorteile sich dadurch ergeben, aber auch welche Kosten und Aufwand damit verbunden sind.

Was ist eine Güterverkehrslizenz?

Eine Güterverkehrslizenz ist eine behördliche Genehmigung für den gewerblichen Gütertransport mit Kraftfahrzeugen über 3,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse. Sie berechtigt Unternehmen dazu, Güter für andere gegen Entgelt zu befördern. Die Lizenz ist im Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) geregelt und dient der Qualitätssicherung im Transportgewerbe.

Wann benötigen landwirtschaftliche Betriebe eine Güterverkehrslizenz?

Für landwirtschaftliche Betriebe wird die Güterverkehrslizenz dann relevant, wenn sie über den reinen Transport eigener Erzeugnisse hinausgehen und beispielsweise Produkte anderer Landwirte mittransportieren oder professionelle Transportdienstleistungen anbieten möchten.Eine Güterverkehrslizenz wird erforderlich, wenn folgende Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind:

  • Gewerblicher Transport: Der Transport erfolgt gegen Entgelt oder als Geschäftstätigkeit
  • Fahrzeuggewicht: Nutzung von Fahrzeugen über 3,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse
  • Fremdgüter: Transport von Gütern für andere Personen oder Unternehmen

Lizenzpflichtig sind beispielsweise folgende Situationen:

  • Ein Gemüsebauer transportiert regelmäßig Produkte von drei Nachbarbetrieben mit zu Großküchen und erhält dafür eine Transportkostenbeteiligung.
  • Ein Landwirt bietet anderen Erzeugern an, deren Getreide gegen Bezahlung zur Mühle zu fahren.
  • Mehrere Höfe gründen eine Transportgemeinschaft und nutzen gemeinsam einen 7,5-Tonner für Auslieferungen.

Nicht lizenzpflichtig sind hingegen:

  • Transport der eigenen Erzeugnisse zum Wochenmarkt oder zur Direktvermarktung.
  • Kostenlose Mitnahme von Nachbarprodukten ohne Entgelt, hierbei gilt es jedoch dadurch entstehende Haftungsfragen zu berücksichtigen.
  • Nutzung von Fahrzeugen bis 3,5 Tonnen, auch für Fremdgüter.

Vorteile einer Güterverkehrslizenz für Landwirte

Landwirtinnen können ihre Transportkapazitäten besser auslasten und Transportdienstleistungen auch über 3,5 t zGG für andere anbieten. Dies ist besonders interessant in Regionen mit hohem Bedarf an regionaler Logistikdienstleistung und eröffnet die Möglichkeit, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen oder ein attraktiveres Angebot für Betriebe der Außer-Haus-Verpflegung bereitzustellen. Hinzu kommt, dass gemeinsame Transporte mit anderen Erzeugern die Transportkosten pro Einheit erheblich reduzieren können, wenn Touren vorher nicht voll ausgelastet waren. Mit einer Güterverkehrslizenz ist man zudem flexibler hinsichtlich der eingesetzten Fahrzeuge (über 3,5 t zulässiges Gesamtgewicht möglich) und signalisiert Geschäftspartnern Zuverlässigkeit und Professionalität, was bei der Akquise von Außer-Haus-Verpflegungsbetrieben hilfreich sein kann. Schlussendlich ermöglicht die Lizenz die intensivere Zusammenarbeit zwischen landwirtschaftlichen Betrieben und kann damit den Grundstein für regionale Vermarktungskooperationen legen.

Wann lohnt sich die Güterverkehrslizenz?

Dennoch entstehen für den Erwerb und die Aufrechterhaltung der Lizenz Kosten und Aufwand. Bei der Abwägung, ob sich dieser Aufwand lohnt, gilt es neben den genannten Vorteilen weitere Argumente zu berücksichtigen:

Der Erwerb einer Güterverkehrslizenz lohnt sich wirtschaftlich, wenn:

  • Regelmäßig Transportkapazitäten benötigt werden.
  • Mehrere Betriebe in der Region Interesse an gebündelten Transporten haben und man bereit ist, mit ihnen zu kooperieren.
  • Die zusätzlichen Einnahmen aus Transportdienstleistungen für Dritte die Kosten der Güterverkehrslizenz übersteigen.
  • Große Abnehmer wie Großküchen, Kantinen oder Handelsketten beliefert werden sollen.

Diese Vorteile lassen sich eher in Regionen realisieren, die über eine Vielzahl an landwirtschaftlichen Betrieben verfügen und in denen es eine starke Nachfrage nach regionalen Produkten gibt. Ebenso sollte die Entfernung zum Absatzmarkt berücksichtigt werden: Je weiter und dadurch aufwendiger die Entfernung zum Absatzmarkt, desto eher lohnt sich die Bündelung von Transporten und damit unter Umständen die Güterverkehrslizenz. Außerdem sollten Betriebe, die über eine Güterverkehrslizenz nachdenken, analysieren welche Transportangebote es in der Region vielleicht schon gibt und ob ein Mangel an Transportdienstleistern vorliegt.

Voraussetzungen für den Erwerb der Güterverkehrslizenz

Der folgende Abschnitt legt dar, welche Voraussetzungen es für den Erwerb der Güterverkehrslizenz gibt und geht dabei auf die wichtigsten Punkte ein. Wer sich umfassender darüber informieren möchte findet mehr dazu auf den Seiten der Industrie- und Handelskammer.

Persönliche Zuverlässigkeit

Der Antragsteller muss seine persönliche Zuverlässigkeit nachweisen. Dazu gehört ein polizeiliches Führungszeugnis sowie eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister. Dabei können beispielsweise schwere Verkehrsstraftaten zum Ausschluss führen. Eine Auflistung dazu kann online eingesehen werden.

Finanzielle Leistungsfähigkeit

Landwirtschaftliche Betriebe müssen ihre finanzielle Leistungsfähigkeit belegen können. Die erforderlichen Mindestbeträge richten sich nach der Anzahl der für den Einsatz vorgesehenen Fahrzeuge über 3,5 Tonnen. Für das erste Fahrzeug: 9.000 Euro und für jedes weitere Fahrzeug zusätzlich 5.000 Euro. Diese Mittel können durch Eigenkapital, Bürgschaften oder Garantien nachgewiesen werden.

Fachliche Eignung

Die fachliche Eignung wird durch eine Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) nachgewiesen. Diese umfasst Kenntnisse in:

  • Verkehrsrecht und Straßenverkehrssicherheit
  • Arbeitsschutz und Fahrzeugkunde
  • Steuerrecht und Kostenrechnung
  • Betriebsführung und kaufmännische Grundlagen

Alternativ kann die fachliche Eignung durch entsprechende Berufsabschlüsse oder langjährige Berufserfahrung im Transportbereich anerkannt werden.

Der Weg zur Güterverkehrslizenz: Schritt für Schritt und dabei entstehende Kosten und Aufwände

Im Folgenden werden die Anforderungen sowie geschätzte Kosten und Aufwand für den Erwerb einer Güterverkehrslizenz dargestellt.

1. Vorbereitung und Prüfung der Voraussetzungen

Überprüfen Sie zunächst, ob Ihr geplantes Transportkonzept tatsächlich eine Lizenz erfordert. Lassen Sie sich bei Unsicherheiten rechtlich beraten. Sammeln Sie alle erforderlichen Unterlagen:

  • Gewerbeanmeldung
  • Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit
  • Polizeiliches Führungszeugnis
  • Auszug aus dem Gewerbezentralregister

2. Fachkundeprüfung ablegen

Melden Sie sich zur IHK-Prüfung an und bereiten Sie sich entsprechend vor. Die Prüfung findet mehrmals jährlich statt und kostet zwischen 200 und 400 Euro. Vorbereitungskurse werden von verschiedenen Anbietern durchgeführt.

3. Antragstellung

Reichen Sie den vollständigen Antrag bei der zuständigen Behörde ein. In den meisten Bundesländern sind dies die Regierungspräsidien oder Bezirksregierungen. Die Bearbeitungszeit beträgt in der Regel 4 bis 8 Wochen.

Kosten und Aufwand für die Prüfung und Lizenz

Für die Vorbereitung auf die Fachkundeprüfung und die Beantragung der Güterverkehrslizenz fallen Kosten an. Folgende Übersicht dient dazu, eine Übersicht über den anfallenden Aufwand zu erhalten, es handelt sich dabei um reine Richtwerte, die variieren können.

Einmalige Kosten

  • IHK-Prüfung: 200-400 Euro
  • Antragsgebühren: 300-500 Euro je nach Bundesland
  • Vorbereitungskurs: 300-1.200 Euro (optional, analog oder digital möglich)

Eine gute Übersicht zu Anbietenden von Vorbereitungskursen stellt die IHK zur Verfügung.

Gesamtkosten für die Erstbeantragung: ca. 800-1.200 Euro

Laufende Kosten

  • Verlängerung der Lizenz: alle 10 Jahre, ca. 200-300 Euro
  • Versicherung: Nach dem GüKG ist es verpflichtend, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, die die gesetzliche Haftung wegen Güter- und Verspätungsschäden versichert. Dadurch können die bisherigen Haftpflichtkosten bei Neuerwerb einer Güterverkehrslizenz steigen.

Zeitaufwand

  • Vorbereitung auf die Fachkundeprüfung: 40-80 Stunden

Welche Alternativen gibt es, wenn sich eine Güterverkehrslizenz nicht lohnt?

Wer nach Abwägung der genannten Vorteile und der beschriebenen Kosten und Aufwände zu der Einschätzung kommt, dass sich eine Güterverkehrslizenz nicht lohnt, kann in der eigenen Region verschiedene weitere Ansätze verfolgen.

Viele Landwirtinnen arbeiten erfolgreich mit regionalen Spediteuren oder anderen lizenzierten Betrieben zusammen. Kooperationen mit lizenzierten Transportunternehmen aufzubauen kann je nach individueller und regionaler Gegebenheit sinnvoll sein. Diese Lösung erfordert keine eigene Investition in Fahrzeuge oder Lizenzverfahren, bietet aber weniger Flexibilität. Auf nearbuy haben Sie die Möglichkeit, Betriebe die Transportdienstleistungen anbieten zu finden und in Kontakt zu treten.

Mehrere Betriebe können gemeinsam beispielsweise eine Transportgenossenschaft gründen oder sich an bestehenden Strukturen beteiligen. Dieses Unternehmen beantragt dann die Güterverkehrslizenz und die Beteiligten teilen sich die Kosten für Lizenz, Fahrzeuge und Personal.

Eine weitere Option ist die Nutzung von kleineren Transportmitteln. Für viele Anwendungen reichen Fahrzeuge bis einschließlich 3,5 Tonnen aus, die ohne Lizenz auch für Fremdgütertransporte genutzt werden können. Moderne 3,5-Tonner bieten oft überraschend viel Laderaum.

Ausblick: Die Zukunft regionaler Transportlösungen

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Ob sich eine Güterverkehrslizenz lohnt, muss jeder Betrieb von Fall zu Fall individuell entscheiden. Die Beantragung verursacht Kosten und Aufwand, kann sich jedoch lohnen, wenn in einer Region beispielsweise hoher Bedarf nach Transportlösungen besteht. Für die Zukunft erwarten wir: Die Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln und nachhaltigen Transportlösungen wächst. Gleichzeitig steigt der Kostendruck im Transport. Dies schafft neue Chancen für landwirtschaftliche Betriebe mit Güterverkehrslizenz und eröffnet so den Netzwerken in den einzelnen Regionen neue Möglichkeiten in der Vermarktung, beispielsweise an Außer-Haus-Verpflegungsbetriebe. Sie kann somit ein wichtiger Baustein für mehr Wirtschaftlichkeit und Markterschließung sein, wenn durch die Bündelung von Produkten attraktive Angebote für die Außer-Haus-Verpflegung geschafft werden können. Als Unterstützung werden digitale Plattformen zunehmend wichtig für die Vermittlung von Transporten und die Bildung von Fahrzeuggemeinschaften, wie auch der Marktplatz für regionale Logistikkapazitäten von nearbuy.

Entdecken Sie das Potenzial in Ihrer Region: Vielleicht gibt es in Ihrem Umkreis weitere Betriebe, die Interesse an gebündelten Transporten haben? Eine gemeinsame Analyse der regionalen Transportbedürfnisse kann der erste Schritt zu einer erfolgreichen Kooperation sein. Auch dafür kann nearbuy genutzt werden: Betriebe, die bereits Fahrten anbieten können als Bündler auftreten und mit dem Marktplatz für regionale Logistikkapazitäten wird es möglich sein, Transportbedarfe und -angebote sichtbar zu machen. Werden Sie aktiv, vernetzten Sie sich mit anderen Betrieben der Region und nutzen Sie die Chancen, die sich durch professionelle Transportlösungen für die regionale Vermarktung eröffnen.