Wie relevant ist Regionalität wirklich? Teil 2

Bildquelle: iStock®, Credit: ZeynepKaya

Ein Blick auf Transport-Emissionen

Von Anna-Mara Schön, Pauline Otto (Grafiken), Marita Böhringer

Wie in Teil 1 erwähnt, wollten wir herausfinden, wie wichtig bzw. sinnvoll eine regionale Ernährung wirklich ist und wie Regionalität definiert werden könnte bzw. sollte. In Teil 2 setzen wir uns mit dem Thema Transport versus Anbau auseinander.

Eins vorweg: Die durchschnittliche jährliche Treibhausgasbilanz pro Person in Deutschland liegt derzeit bei 10,03 Tonnen CO2e, wobei 1,6 Tonnen auf die Ernährung zurückzuführen sind16. Klimaverträglich wäre ein Gesamt-Pro-Kopf-Ausstoß von unter einer Tonne CO2e pro Jahr.  

Wird nun der Transport bestimmter Lebensmittel auf Basis der Herkunft betrachtet, fällt auf, dass der reine Transport ein eher kleines Problem darstellt. Menschen, die ihren CO2e-Fußabdruck minimieren möchten, müssen nicht zwingend nur auf die Herkunft achten, sofern die Waren ihren Weg in möglichst großen und voll beladenen Fahrzeugen in die eigene Küche finden: Der Einkauf vorzugsweise deutscher Waren ist in Bezug auf CO2e-Emissionen eher unproblematisch. Beispielsweise verursacht der Transport von einem Kilogramm Ware von Mecklenburg-Vorpommern nach Frankfurt (ca. 680 km) um die 50 g CO2e (je nach Auslastung des LKW), was den Emissionen von 300 g Weißkohl im Anbau entspricht. Auch der Transport von spanischem Gemüse nach Deutschland ist gering: 110 kg Gemüse, der Jahresgemüsekonsum eines durchschnittlichen deutschen Bürgers, verursachen etwa 16 kg CO2e, vergleichbar mit der Produktion eines halben Kilogramms Rindfleisch. Das klingt überschaubar. Jedoch importiert Deutschland jährlich 80 % seines Obstes und 65 % seines Gemüses. Allein Tomaten summieren sich jährlich auf ca. 180.000 Tonnen und somit auf 7.500 vollausgelastete 40-Tonner aus Spanien. Dies entspricht in etwa 26.000 Tonnen CO2e-Emissionen, dem Jahresverbrauch von 2.324 Bundesbürgerinnen und Bürgern. Insgesamt werden in Deutschland jährlich ca. 4,3 Millionen Tonnen Obst und 5,6 Millionen Tonnen Gemüse importiert, umgerechnet etwa 382.000 40-Tonner LKW1 (Anmerkung: Diese Berechnungen wurden unter der Annahme durchgeführt, dass die maximale Nutzlast in Tonnen und nicht das maximale Volumen (ca. 33 Paletten pro 40 Tonnen-LKW) erreicht wird, was bei leichteren Gemüse- und Obstsorten nicht der Fall ist. Je leichter die Ware, die ein LKW transportiert, desto größer die Emissionen pro Kilogramm Ware. Vergleichen lassen sich verschiedene Werte mit unserem Transportkosten-Rechner).

Also doch lieber Tomaten aus Deutschland?

Ja und nein. Studien, die so genannte Lebenszyklusanalysen durchgeführt haben, kommen zu dem Schluss, dass der Anbau (und Konsum) von nicht saisonalen Produkten wesentlich schlechter ist als der Konsum nicht-regionaler Produkte. Der CO2e Anteil von einem Kilogramm Tomaten, dem Lieblingsgemüse der Deutschen, das in einem beheizten Gewächshaus angebaut wird, liegt allein bei über 2 kg CO2e (diese Emissionen variieren stark je eingesetzter Heizmittel). Im Vergleich: Die Emissionen aus einem unbeheizten Folientunnel liegen bei 0,7 kg CO2e, wobei ca. die Hälfte auf den Anbau zurückzuführen ist und die andere Hälfte auf die Logistik (Einzelhandelskette Kühlung, Ausschuss, Verpackung und Einkauf). 

Kurz: Die regionale Tomate ist zur Saison die beste Wahl, sobald die kurze Saison der Tomate in Deutschland vorbei ist, schneidet die spanische Tomate aus nicht beheiztem Anbau, zumindest was die CO2-Bilanz angeht, wesentlich besser ab als die beheizte deutsche Tomate.     

Aber Achtung: Die beste Klimabilanz im Winter hat jedoch nicht die in Spanien angebaute Tomate, sondern der heimisch und ökologisch angebaute Kohl. Der schmeckt dann auch gleich besser und ist gesünder, denn je schneller die Waren nach der Ernte verzehrt werden, desto mehr wertvolle Nährstoffe sind noch enthalten.

Zusammenfassung

Blogbeitrag 2 von 3 aus der Reihe “Wie relevant ist Regionalität wirklich?” schließt mit dem Fazit, dass mit Blick auf Transportemissionen die pauschale Behauptung regionale Lebensmittel seien immer die bessere Wahl nicht bestätigt werden konnte. Während der Transport eine vergleichsweise geringe Rolle bei den CO₂-Emissionen spielt, hängt die Umweltbilanz stark vom Anbau und der Saisonalität ab. Regionales Gemüse ist zur Saison oft die nachhaltigere Wahl, doch außerhalb der Saison überwiegen häufig die Vorteile klimatisch geeigneter Anbauregionen, wie Spanien. Letztlich ist eine ausgewogene Kombination sinnvoll: Wer zur richtigen Jahreszeit regionale Produkte bevorzugt und im Winter auf lagerfähige, heimische Alternativen setzt, trifft mit seiner Ernährung eine klimabewusste Entscheidung und Wahl.

Im letzten Blogbeitrag der Reihe beleuchten wir das Thema Lebenszyklusanalysen und widmen uns einem Produkt, das derzeit in aller Munde ist: der Linse.

1 Geht man von einem jährlichen Pro-Kopf Konsum von 103 kg Gemüse und 65 kg Obst aus (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/176731/umfrage/pro-kopf-verbrauch-von-gemuese-in-deutschland/#:~:text=In%20den%20vergangenen%20Jahrzehnten%20ist,bei%20durchschnittlich%20102%2C6%20Kilogramm, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/247425/umfrage/die-beliebtesten-obstsorten-der-deutschen/

Hier geht es zu Teil 3 der Beitragsreihe

Quellen der Artikel Wie relevant ist Regionalität wirklich? Teile 1-3

[1] Schön, A.-M.; Böhringer, M. Land Consumption for Current Diets Compared with That for the Planetary Health Diet—How Many People Can Our Land Feed? Sustainability 202315, 8675. https://doi.org/10.3390/su15118675.

[2] Bio Kartoffel Erzeuger e.V., ‘Gesund, Erschwinglich Und Gut Fürs Klima – Unsere Bio-Kartoffeln’ <https://bke-verein.de/bio-kartoffeln/> [accessed 19 June 2024].

[3] Bio Kartoffel Erzeuger e.V., ‘Regionalität – Fluch Oder Segen?’ <https://bke-verein.de/regionalitaet/> [accessed 19 June 2024].

[4] CarbonCloud, ‘Lentils’ <https://apps.carboncloud.com/climatehub/product-reports/id/179797657331> [accessed 21 June 2024]

[5] Pernilla Tidåker and others, ‘Towards Sustainable Consumption of Legumes: How Origin, Processing and Transport Affect the Environmental Impact of Pulses’, Sustainable Production and Consumption, 27 (2021), 496–508 <https://doi.org/10.1016/J.SPC.2021.01.017>.

[7] Maria Vincenza Chiriacò, Simona Castaldi, and Riccardo Valentini, ‘Determining Organic versus Conventional Food Emissions to Foster the Transition to Sustainable Food Systems and Diets: Insights from a Systematic Review’, Journal of Cleaner Production, 380 (2022), 134937 <https://doi.org/10.1016/J.JCLEPRO.2022.134937>.

[8] European Food Safety Authority, ‘The 2016 European Union Report on Pesticide Residues in Food’, EFSA Journal, 16.7 (2018), e05348 <https://doi.org/10.2903/J.EFSA.2018.5348>; Ida Ekqvist, Elin Röös, and Pernilla Tidåker, Grain Legumes on the Swedish Market: Origin and Pesticide Use in the Production (Uppsala, 2019) <http://epsilon.slu.se>.

[9] Christopher L. Weber and H. Scott Matthews, ‘Food-Miles and the Relative Climate Impacts of Food Choices in the United States’, Environmental Science & Technology, 42.10 (2008), 3508–13 <https://doi.org/10.1021/ES702969F>.

[10] Poore, J., & Nemecek, T. (2018). Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science, 360(6392), 987–992. <https://doi.org/10.1126/SCIENCE.AAQ0216>.

[11] Statista Daten. Bevölkerung – Anzahl der Einwohner in den Bundesländern in Deutschland am 31. Dezember 2023 <https://de.statista.com/statistik/daten/studie/71085/umfrage/verteilung-der-einwohnerzahl-nach-bundeslaendern/> [accessed 21 June 2024].

[12] Landwirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland nach Bundesländern und Hauptnutzungsarten im Jahr 2023 <https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1075977/umfrage/landwirtschaftlich-genutzte-flaeche-in-deutschland-nach-bundeslaendern-und-nutzung/> [accessed 22 June 2024].

[13] Statista Daten. Wichtige Bevölkerungsindikatoren zu den EU-Staaten <https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Basistabelle/Bevoelkerung.html> [accessed 21 June 2024].

[14] EC Europe Agri-environmental indicator – cropping patterns <https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Agri-environmental_indicator_-_cropping_patterns&oldid=457657#In_focus:_arable_land_and_fodder_areas> [accessed 21 June 2024].

[15] Hannah Ritchie (2021) – “If the world adopted a plant-based diet, we would reduce global agricultural land use from 4 to 1 billion hectares” Published online at OurWorldInData.org. Retrieved from: ‘https://ourworldindata.org/land-use-diets’ [Online Resource]

[16] BMUV (2024), Kohlenstoffdioxid-Fußabdruck pro Kopf in Deutschland, <https://www.bmuv.de/media/kohlenstoffdioxid-fussabdruck-pro-kopf-in-deutschland>, published 02. May, 2024. [accessed 21 June 2024].