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Ein Blick in die Thematik der Lebenszyklusanalysen
Von Anna-Mara Schön, Pauline Otto (Grafiken), Marita Böhringer
Während Teil 1 gezeigt hat, wie gut sich theoretisch Deutschland und die EU selbst ernähren könnten, hat Teil 2 aufgewiesen, dass allein die Distanz, die ein Produkt vom Feld bis auf den Teller zurücklegt, nicht der alles entscheidende Faktor ist, der die Klimabilanz eines Produktes gut oder schlecht macht. Nun soll es in Teil 3 besonders um die Linse und das Thema Lebenszyklusanalyse (engl. Life cycle assessment/LCA) gehen.
In LogRegio haben wir uns intensiver mit der Linse auseinandergesetzt. Wir wollten wissen, was die Gründe für die Preisunterschiede von Import-Ware zu deutscher Ware sind, welche Linsen die bessere Ökobilanz aufweisen und warum.
Fragen, die einfache Antworten nicht zulassen, da es sehr darauf ankommt, wie das Produkt angebaut wird. So kann die Ökobilanz einer europäischen Linse schlechter sein als die einer kanadischen, trotz des langen Transportweges; beispielsweise, wenn die hiesige Linse auf Moorböden angebaut wurde oder für ihren Anbau Flächen durch Waldrodungen verfügbar gemacht wurden4. Eine Studie aus Schweden hat bspw. herausgefunden, dass schwedische Linsen, die nach Italien gefahren und dort in Dosen abgepackt (in Schweden gibt es keine Abfüllanlagen) und zurücktransportiert werden, eine wesentlich schlechtere Ökobilanz haben als eine trockene Linse aus China5. Vergleicht man trockene Produkte miteinander, ist auch die Art der Zubereitung wesentlich – so ist der Strommix, der benutzt wird, um die Linsen in der eigenen Küche zu kochen, teilweise entscheidender als der lange Transport in einem Schiffscontainer, da hier die CO2e Emissionen auf das Kilogramm Produkt geringer ausfallen.
Die Wissenschaft zeigt, dass insbesondere der Kauf von Biolebensmitteln durchaus besser für die Umwelt und das Klima ist als Kauf und Konsum konventioneller Waren, da etwa die Hälfte aller Treibhausgasemissionen eingespart werden könnte, würden alle Äcker weltweit auf Bio-Landwirtschaft umgestellt werden7. Die Studien zeigen, dass nicht der Ort der Produktion und somit der Transportweg entscheidend ist, sondern die Art der Produktion, also wie Landwirtschaft betrieben wird, welche Produktionsmittel eingesetzt werden und ob biologisch oder konventionell erzeugt wird, etc. Auch relevant ist, ob es sich um ein pflanzliches oder ein tierisches Lebensmittel handelt, wobei pflanzliche Produkte in der Regel wesentlich besser abschneiden als tierische Lebensmittel9,10.
Der Aufbau der Wertschöpfungskette kann auch ihren Beitrag leisten; so fanden Poore and Nemecek (2018) heraus, dass „für jedes Produkt die Emissionen der 90. Perzentile (also die 10 % der Produkte, die am meisten Treibhausgase emittieren) 2- bis 140-mal höher sind als die der 10. Perzentile (die 10 % der Produkte, die am wenigsten Treibhausgase emittieren), was auf ein großes Minderungspotenzial hinweist. Zum Beispiel erzeugen wiederverwendbare Edelstahlfässer nur 20 g CO2-Äquivalente pro Liter Bier, aber recycelte Glasflaschen erzeugen 300 bis 750 g CO2-Äquivalente und Flaschen, die auf Deponien entsorgt werden, erzeugen 450 bis 2.500 g CO2-Äquivalente“10.
Die Berechnungen in dieser Artikel-Serie bestätigen die Literatur: der Transport bezogen auf den Anteil der Gesamtemissionen eines Produkts pro Kilogramm ist verhältnismäßig gering.
Studien zeigen, dass eine umweltschonende, pflanzenbetonte Ernährung wichtiger für das Klima ist als der lokale Einkauf9,15. Besonders vorteilhaft sind Pflanzen, die zur Saison wenig bewässert und ohne oder nur mit Abwärme beheizt angebaut werden sowie von nachhaltig produzierenden Höfen stammen.
Ein Wechsel von der derzeitigen Ernährungsweise hin zu einer Ernährung, die tierische Produkte weitgehend ausschließt, kann das Transformationspotenzial erheblich steigern.
Kurz, hier versteckt sich das größte Potenzial im Kampf gegen den Klimawandel: eine Ernährungsumstellung hin zu mehr pflanzlichen statt tierischen Lebensmitteln könnte die Landnutzung für Lebensmittel um 3,1 Milliarden Hektar (eine Reduktion um 76 %), die Treibhausgas-Emissionen um 6,6 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente (eine Reduzierung um 49 %), die Versauerung um 50 % und die Eutrophierung um 49 % reduzieren10.
Eine sachgemäße Vermittlung der Umweltauswirkungen von Produkten kann bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zu einer Änderung der Ernährungsgewohnheiten führen und sollte daher gefördert werden9,10.
Zusammenfassung
Natürlich sollten nicht nur die Treibhausgas-Emissionen betrachtet werden. Der Anbau und Konsum bio-regionaler Produkte bietet zusätzliche Vorteile. Er erhöht die Resilienz und Biodiversität der Region, schafft Arbeitsplätze und ermöglicht es den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die Lebensmittelproduktion vor Ort zu beobachten. Zudem können emissionsintensive Prozesse, wie Verpackung und Transport, von der Erzeugerin zum Großhändler und Einzelhändler reduziert werden, was sich positiv auf die Klimabilanz und die Kosten eines Produkts auswirkt.
Wie relevant ist Regionalität wirklich?
Fazit der Teile 1-3
Der Einkauf von Lebensmitteln wird zunehmend komplexer, da neben der Umstellung auf eine pflanzenbasierte Ernährung auch die Produktionsmethoden der Landwirtinnen und Landwirte und deren Treibhausgasemissionen berücksichtigt werden müssten. Enge Beziehungen zu den Erzeugerinnen ermöglichen es, detaillierte Informationen über die Herkunft der Rohstoffe zu erhalten. Verpackungsarmes Einkaufen, wie der direkte Kauf von frischem Gemüse vom Erzeuger, reduziert Emissionen und hilft bei der Müllvermeidung. Feldfrische Zutaten, die kaum gekühlt wurden, sind im Vergleich zu Obst und Gemüse aus Übersee umweltfreundlicher, da sie keinen langwierigen Transport- und Lagerprozessen unterliegen. Außerdem enthalten sie oftmals noch mehr Nährstoffe und sind demnach gesünder.
Obwohl die Emissionen aus dem Schiffsverkehr niedriger sind als die von LKW-Transporten, müssen bei Überseeprodukten auch die oft langen LKW-Strecken zur und von der Hafenstadt sowie die permanente Kühlung berücksichtigt werden.
Empfehlungen für Großküchen
- Pflanzliche Ernährung: Küchen sollten so pflanzlich wie möglich kochen und weitgehend auf Milchprodukte und Fleisch verzichten. Biologisch erzeugte Hülsenfrüchte sind eine umweltfreundliche Alternative zu tierischen Produkten, wobei die Art der Erzeugung wichtiger ist als die Herkunft.
- Fleisch und Milchprodukte: Wenn Fleisch und Milchprodukte eingekauft werden, sollten kurze Transportwege bevorzugt und die Erzeuger persönlich bekannt sein. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die Felder und Tiere umweltfreundlich bewirtschaftet und gefüttert werden. Egal ob pflanzlich oder tierisch, biologisch erzeugte Produkte bieten zahlreiche Vorteile zu konventionellen Produkten.
- Lebenszyklusanalyse: Händler könnten die Höfe, mit denen sie zusammenarbeiten, einer Lebenszyklusanalyse unterziehen (lassen) und nur solche mit einer möglichst positiven Bilanz auswählen, auch wenn sie weiter entfernt liegen. Diese Analysen könnten vom Staat durchgeführt und finanziert werden, um Transparenz und faire Bedingungen für alle Betriebe zu gewährleisten.
Die nachhaltige Beschaffung von Lebensmitteln erfordert eine sorgfältige Berücksichtigung von Produktionsmethoden und Transportwegen. Die enge Zusammenarbeit mit Erzeugerinnen und der Fokus auf pflanzliche, biologisch erzeugte Produkte können erheblich zur Reduktion von Emissionen beitragen. Unser Fazit ist, dass hierbei der Staat eine zentrale Rolle in der Bewertung und Veröffentlichung von Lebenszyklusanalysen einnehmen sollte, um Konsumentinnen und Händlerinnen bei umweltfreundlichen Entscheidungen zu unterstützen.
Eine spielerische Möglichkeit sich an das Thema nachhaltige Ernährung heranzutasten ist die App Fork Ranger, die kostenlos im App Store heruntergeladen werden kann. Sie ist für Kinder ab der 6. Klasse genauso wie für Erwachsene spannend. Nach einem täglichen kurzen Quiz erhält man ein nachhaltiges Rezept zum Nachkochen.
Quellen der Artikel Wie relevant ist Regionalität wirklich? Teile 1-3
[1] Schön, A.-M.; Böhringer, M. Land Consumption for Current Diets Compared with That for the Planetary Health Diet—How Many People Can Our Land Feed? Sustainability 2023, 15, 8675. https://doi.org/10.3390/su15118675.
[2] Bio Kartoffel Erzeuger e.V., ‘Gesund, Erschwinglich Und Gut Fürs Klima – Unsere Bio-Kartoffeln’ <https://bke-verein.de/bio-kartoffeln/> [accessed 19 June 2024].
[3] Bio Kartoffel Erzeuger e.V., ‘Regionalität – Fluch Oder Segen?’ <https://bke-verein.de/regionalitaet/> [accessed 19 June 2024].
[4] CarbonCloud, ‘Lentils’ <https://apps.carboncloud.com/climatehub/product-reports/id/179797657331> [accessed 21 June 2024]
[5] Pernilla Tidåker and others, ‘Towards Sustainable Consumption of Legumes: How Origin, Processing and Transport Affect the Environmental Impact of Pulses’, Sustainable Production and Consumption, 27 (2021), 496–508 <https://doi.org/10.1016/J.SPC.2021.01.017>.
[7] Maria Vincenza Chiriacò, Simona Castaldi, and Riccardo Valentini, ‘Determining Organic versus Conventional Food Emissions to Foster the Transition to Sustainable Food Systems and Diets: Insights from a Systematic Review’, Journal of Cleaner Production, 380 (2022), 134937 <https://doi.org/10.1016/J.JCLEPRO.2022.134937>.
[8] European Food Safety Authority, ‘The 2016 European Union Report on Pesticide Residues in Food’, EFSA Journal, 16.7 (2018), e05348 <https://doi.org/10.2903/J.EFSA.2018.5348>; Ida Ekqvist, Elin Röös, and Pernilla Tidåker, Grain Legumes on the Swedish Market: Origin and Pesticide Use in the Production (Uppsala, 2019) <http://epsilon.slu.se>.
[9] Christopher L. Weber and H. Scott Matthews, ‘Food-Miles and the Relative Climate Impacts of Food Choices in the United States’, Environmental Science & Technology, 42.10 (2008), 3508–13 <https://doi.org/10.1021/ES702969F>.
[10] Poore, J., & Nemecek, T. (2018). Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science, 360(6392), 987–992. <https://doi.org/10.1126/SCIENCE.AAQ0216>.
[11] Statista Daten. Bevölkerung – Anzahl der Einwohner in den Bundesländern in Deutschland am 31. Dezember 2023 <https://de.statista.com/statistik/daten/studie/71085/umfrage/verteilung-der-einwohnerzahl-nach-bundeslaendern/> [accessed 21 June 2024].
[12] Landwirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland nach Bundesländern und Hauptnutzungsarten im Jahr 2023 <https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1075977/umfrage/landwirtschaftlich-genutzte-flaeche-in-deutschland-nach-bundeslaendern-und-nutzung/> [accessed 22 June 2024].
[13] Statista Daten. Wichtige Bevölkerungsindikatoren zu den EU-Staaten <https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Basistabelle/Bevoelkerung.html> [accessed 21 June 2024].
[14] EC Europe Agri-environmental indicator – cropping patterns <https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Agri-environmental_indicator_-_cropping_patterns&oldid=457657#In_focus:_arable_land_and_fodder_areas> [accessed 21 June 2024].
[15] Hannah Ritchie (2021) – “If the world adopted a plant-based diet, we would reduce global agricultural land use from 4 to 1 billion hectares” Published online at OurWorldInData.org. Retrieved from: ‘https://ourworldindata.org/land-use-diets’ [Online Resource]
[16] BMUV (2024), Kohlenstoffdioxid-Fußabdruck pro Kopf in Deutschland, <https://www.bmuv.de/media/kohlenstoffdioxid-fussabdruck-pro-kopf-in-deutschland>, published 02. May, 2024. [accessed 21 June 2024].