Vom Feld auf den Teller: Einblicke in die Verarbeitung von Körnerleguminosen in einem mittelgroßen hessischen Landwirtschaftsbetrieb

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Ein Interview mit Moritz Schäfer, Demeterhof Schwalmtal im Vogelsberg und LogRegio

Moritz Schäfer, ein ökologisch arbeitender Landwirt aus dem hessischen Vogelsbergkreis, betreibt eine Druschfrüchteaufbereitungsanlage, also einen Maschinenpark, mit dem Körnerleguminosen, wie Linsen und Bohnen, sowie Getreide gedroschen und getrocknet werden. In einem Gespräch gab Moritz uns faszinierende Einblicke in die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen moderner mittelgroßer Agrarbetriebe.

Moritz, der seinen Hof mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit betreibt, führte uns im Gespräch einmal gedanklich durch seinen Maschinenpark sowie über die damit verbundenen Anschaffungskosten und den Nutzen dieser spezialisierten Ausrüstungen.

Von der Anlieferung bis zur Absackung – so läuft die Aufbereitung von Körnerleguminosen ab

Der Prozess, bis Körnerleguminosen verkaufsfertig sind, beginnt mit der Anlieferung der Rohware durch Landwirte oder Spediteure an Moritz Schäfers Anlage. Die Ware wird durch einen Rückwärts-Kipper oder in Big Packs über eine Gosse angeliefert, wo sie einer ersten Qualitätskontrolle unterzogen wird. Anschließend erfolgt eine Siebreinigung zur Entfernung von Grobschmutz, gefolgt von Trocknung und Lagerung in Silos, die speziell für verschiedene Produkte ausgelegt sind, um Kreuzkontaminationen zu vermeiden.

Die weitere Verarbeitung erfolgt in mehreren Stufen, beginnend mit der Siebreinigung und dem Steinauslesen, um Fremdkörper zu entfernen. Danach folgt ein Trieur, der rundes von langem Korn trennt, und ein Gewichtsausleser für die Sortierung nach spezifischem Gewicht. Ein optischer Farbsortierer identifiziert und entfernt visuellen Fremdbesatz, um die Lebensmittelqualität sicherzustellen.

Nach der Reinigung und Sortierung können weitere Prozesse wie Schälen oder Oberflächenbehandlung notwendig sein, insbesondere für Produkte wie Dinkel oder Gerste, die zu Graupen oder ähnlichen Produkten verarbeitet werden. 

Am Ende des Verarbeitungsprozesses stehen die Absackanlagen, die für die Verpackung der fertigen Produkte in verschiedenen Größen von 5 bis 25 Kilo sorgen, um sie für den Verkauf vorzubereiten.

Die Gesamtkosten für eine vollständig betriebsfähige Anlage, die alle Prozesse von der Annahme über die Verarbeitung bis zur Verpackung abdeckt, können – ohne Gebäudehülle – leicht über eine Million Euro erreichen, abhängig von der Kapazität, der Anzahl an zu verarbeitenden Produkten und den spezifischen Anforderungen der Produktion. Die verarbeitete Menge bei Moritz liegt derzeit bei ca. 1.200 Tonnen/Jahr, obwohl sicher seitens der Maschinen die doppelte Menge an Ware verarbeitet werden könnte. Im Vergleich zu einem Industriebetrieb, werden in Moritz Betrieb jedoch eine Vielzahl an Eingangsprodukten bearbeitet, was die Rüstzeiten erhöht. Jede Anpassung an neue Produkte, erforderliche Wartungen und die manuelle Bedienung durch eine begrenzte Anzahl von Mitarbeitern (im Betrieb sind sie zu zweit) führen dazu, dass die Maschinen nicht kontinuierlich laufen können, was wiederum die Gesamteffizienz der Anlage reduziert.

Alles eine Frage des Standorts? Warum hiesige Körnerleguminosen teurer sind als im Ausland

Die Wahl des Standorts ist für den Anbau bzw. den Ertrag verschiedener Körnerleguminosen entscheidend, insbesondere in Hinblick auf die Anforderungen an die Bodenqualität und -beschaffenheit, das Klima bzw. die Wetterbedingungen. In der Wetterau beispielsweise sind die Erträge für Kichererbsen höher als im Vogelsbergkreis, dieser schneidet wiederum besser ab als der nördliche Landkreis in Hessen. Leguminosen wie Kichererbsen und Soja stellen geringere Ansprüche an die Bodenqualität als andere Kulturen. Dennoch benötigt beispielsweise Soja spezifische klimatische Bedingungen, zum Beispiel wärmere Standorte, wie sie eher südlich in Hessen oder in den großen globalen Anbaugebieten zu finden sind. 

Globale Anbaugebiete, wie Kanada oder Australien, können wesentlich günstiger produzieren als hierzulande, u.a. weil dort die Bedingungen wesentlich besser sind als in den besten deutschen Anbaugebieten. In Kanada zum Beispiel können großflächige und technologisch fortschrittliche Ernteverfahren auf großen, steinfreien Flächen angewendet werden, die in Hessen aufgrund von steinigem Boden und kleineren, unebenen Flächen nicht praktikabel sind. Auch das Klima dort ist wesentlich trockener als in Hessen. Moritz hob hervor, dass in seiner Region Gemenge (zwei Ackerfrüchte auf einer Fläche, bspw. Hafer als Stützfrucht von Linsen) als eine Form der Risikoversicherung und zur Förderung der Biodiversität eingesetzt werden. Im Gegensatz dazu sind in anderen Teilen der Welt, wie Australien, Kanada oder den Niederlanden, die Bedingungen so optimiert, dass insbesondere der Einsatz von großen Maschinen effizient möglich ist. 

Auch die Notwendigkeit einer angemessenen Fruchtfolge spielt eine große Rolle: Moritz führte aus, dass für den Anbau von 125 Hektar Körnerleguminosen insgesamt 875 Hektar benötigt werden, um eine gesunde Fruchtfolge zu ermöglichen und den Boden nicht zu erschöpfen. Eine sorgfältige Anbauplanung hilft dabei, die Langzeitfruchtbarkeit des Bodens zu sichern und gleichzeitig produktiv zu wirtschaften. Es wird aber ersichtlich, dass in einer Region wie Hessen mit seiner kleinteiligen Landwirtschaft eine Vielzahl an Erzeugern orchestriert werden muss, um den hiesigen Bedarf an Körnerleguminosen ansatzweise decken zu können. 

Neben den höheren Erzeugerpreisen sind auch die Aufbereitungsprozesse teurer als in großen Anbauregionen: so sind die Verluste aufgrund des Schälens, bspw. bei Linsen und Buchweizen, in seinem regionalen Betrieb höher als in professionellen Industrieschälmühlen, wie sie beispielsweise in Polen zu finden sind.  Auch können diese die entstehenden Koppelprodukte besser nutzen bzw. weiterverkaufen, sodass sich der Schälprozess nicht bzw. kaum auf den Endpreis auswirkt. 

Die Frage nach der Effizienz – was wollen wir als Gesellschaft?

Die Frage, die sich unsere Gesellschaft stellen muss, lautet: Wollen wir regional erzeugte und verarbeitete Produkte und Betriebe, die zwar positiv für unsere Landwirtschaft und Wirtschaft, aber aufgrund kleinerer Betriebsgrößen weniger effizient sind als große Industriebetriebe? Oder bevorzugen wir die gegenwärtig dominierenden Großbetriebe, die auf riesigen Feldern Monokulturen anbauen und in großen Anlagen verarbeiten, was zu deutlich niedrigeren Marktpreisen führt? Im LogRegio-Team haben wir darauf keine endgültige Antwort. Diese Entscheidung muss von der Gesellschaft getroffen werden, basierend darauf, ob sie bereit ist, höhere Preise für lokale Produkte zu zahlen. 

Als Gesellschaft müssen wir uns jedoch darüber bewusst sein, dass die Entscheidung für günstigere, in großstrukturierten Betrieben hergestellte Waren negative Auswirkungen auf die Biodiversität, sowie auf das Wissen über traditionelle Anbauweisen hat.