Akute Getreideengpässe durch den Krieg in der Ukraine zeichnen sich ab, aber eine Intensivierung der Landwirtschaft kann keine Lösung sein. Denn Boden, Pflanzen und Tiere, die Ökosysteme, die Biodiversität und das Klima sind bereits am Limit. Der Verlust von Artenvielfalt, Bodenleben und Klimaveränderungen führen bereits jetzt zu Mindererträgen. Abhängigkeiten von fossilen Energien, synthetischen Düngermitteln, Pestiziden und Saatgut von miteinander verflochtenen Agrarkonzernen machen die intensive, industrielle Landwirtschaft besonders krisenanfällig.
Die 3 großen Stellschrauben zur Lebensmittelsicherung müssen jetzt gedreht werden! Und die vielen kleinen Dinge, die jede*r tun kann natürlich ebenfalls.
- Tierhaltung schrittweise (in großen Schritten!) um 50% reduzieren und – nein – nicht in den kleinen, bäuerlichen (ökologischen) Gemischtbetrieben, sondern in den industriellen, hochspezialisierten Tierhaltungen. 60-70% des Getreides und der Ölsaaten landen in Deutschland nicht auf dem Teller, sondern im Trog. Fallen Russland (33 Mio. Tonnen (t) Weizen) und die Ukraine (20 Mio. t Weizen) als Exporteure weg, würden 53 Mio. t Weizen fehlen. Allein die EU und die USA verwenden 211 Mio. t Mais als Tierfutter, zusammen mit den 130 Mio. t Mais für Biokraftstoffe werden so 341 Mio. t Getreide dem menschlichen Verzehr entzogen. Tiere gehören zu einer biodiversen, ökologischen, bäuerlichen Landwirtschaft dazu, sie sind wahre „Ökosystemmanager“. Aber nicht so, nicht für diesen ungesunden Fleischverzehr und nicht in industriellen Anlagen.
- Keinen Pflanzenbau mehr für Biogas und Biosprit, denn diese sind besonders ineffizient. Mit Photovoltaik lässt sich bis zu 20 Mal mehr Strom pro Hektar (ha) erzeugen, als mit dem Mais für Biogasanlagen. Dazu wird diese Art von Pflanzenbau sehr intensiv betrieben, was einen hohen Einsatz an Pestiziden und synthetischen Düngemitteln erfordert und zu Bodenerosionen führt. Mit 2,4 Mio. ha Anbaufläche wird hier in Deutschland mit „Energiepflanzen“ mehr Fläche belegt, als für den gesamten ökologischen Landbau mit 1,8 Mio. ha. Übrigens, Russland ist der größte internationale Lieferant von Harnstoff und anderen synthetischen Düngemitteln. Nicht nur das Stickstoffdünger aus dem Sack fossile Energien verbrauchen, nein, sie werden vielfach aus Russland importiert und sind besonders krisenanfällig.
- Lebensmittelverschwendung muss reduziert werden – das geht mit einer Wertschätzung unserer Nahrung einher. Weltweit werden so 30% der Anbaufläche „verschwendet“. Allein in Deutschland ist es eine Anbaufläche von 2,5 Mio. ha. Laut Thünen Institut findet übrigens mit 52% die größte Lebensmittelverschwendung in den privaten Haushalten statt, hier sind wir also alle gemeinsam gefordert. In deutschen Bäckereien wird jedes 5. Brot am Abend entsorgt, die Verluste können sogar von der Steuer abgesetzt werden. 400.000 ha Getreideanbaufläche wird so pro Jahr nicht für die menschliche Ernährung genutzt.
Die Probleme und Lösungen sind bereits bekannt. Die ökologischen Vorrangflächen sind mit 1,23 Mio. ha vergleichsweise gering, warum sollten diese jetzt noch für Futteranbau freigegeben werden? Fast die Hälfte der Schweine in Deutschland wird in Betrieben mit mehr als 2.000 Schweinen gehalten und 67% aller Schweine leben auf Vollspaltenböden ohne Einstreu – ohne Freiland. Es ist doch offensichtlich, wo reduziert werden muss. Lasst es uns anpacken!
(Quellen: https://www.net4energy.com/wiki/energiepflanzen, https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/oekologischer-landbau, foodwatch, WWF, Alexander Müller: Thinktank für Nachhaltigkeit, https://www.bmel-statistik.de/landwirtschaft/tierhaltung/schweinehaltung).
Autorin: Dr. Kathrin Goebel, Hof Oberfeld, Darmstadt