Biodiversität in Agrarökosystemen: Warum sie wichtig ist und wie wir sie erhalten können.

Der Ameisenbläuling ist auf spezifische Lebensraumbedingungen angewiesen, die von der Verfügbarkeit der richtigen Pflanzenarten und Ameisenarten abhängen. Veränderungen in der Landnutzung, wie z.B. die Umwandlung von Wiesen in Ackerland oder die Entfernung von Hecken und Feldgehölzen, können sich negativ auf die Populationen des Ameisenbläulings auswirken (Foto von nathalieburblis von Pixabay).

von Pauline Otto

Biodiversität bzw. die biologische Vielfalt ist ein grundlegendes Merkmal unseres Planeten. Sie umfasst die Vielfalt des Lebens in all seinen Formen und Interaktionen, einschließlich der genetischen Vielfalt innerhalb von Arten, der Vielfalt der Arten selbst und der Vielfalt der Ökosysteme, in denen sie existieren. In diesem Blogbeitrag soll es vor allem um Biodiversität in Agrarökosystemen gehen, also in landwirtschaftlichen Gebieten. Denn Landwirtschaft bedeutet auch immer ein Eingriff in das Ökosystem und verändert so die biologische Vielfalt einer Region. Was das für Folgen haben kann, wie man damit umgeht und warum das Thema Biodiversität so wichtig für uns und unsere Umwelt ist, ist nachfolgend zusammengefasst.

Biodiversität und ihre Komponenten

Zuallererst lässt sich Biodiversität in drei Hauptkategorien einteilen:

  • Genetische Vielfalt: Bezieht sich auf die Variation der Gene innerhalb einer Art, was für die Anpassungsfähigkeit und das Überleben von Arten entscheidend ist.
  • Artenvielfalt: Unter Artenvielfalt versteht man die Anzahl aller biologischer Arten in einem geographisch abgegrenzten Gebiet. Dazu gehören alle Tier- und Pflanzenarten, aber auch Mikroorganismen und Pilze. Die Artenvielfalt ist ein wichtiges Maß zur Einschätzung der Biodiversität eines Lebensraums.
  • Ökosystemvielfalt: Umfasst die Vielfalt der Lebensräume und ökologischen Prozesse.

Warum ist Biodiversität für die Landwirtschaft wichtig?

Biodiversität ist von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren von Agrarökosystemen. Unterschiedliche Tiere und Pflanzen ermöglichen eine Vielzahl an ökologischen Prozessen wie Bestäubung, Bodenfruchtbarkeit oder die Regulation von Schädlingen. Dadurch ist Biodiversität mit einer der wichtigsten Faktoren für eine nachhaltige Lebensmittelversorgung, sauberes Wasser, Medizin und weitere Ökosystemleistungen.

Rückgang der Artenvielfalt

Leider geht die Biodiversität überall auf der Welt immer weiter zurück und die planetare Grenze für das Artensterben wurde bereits bis in den Hochrisikobereich überschritten. Viele Studien und Berichte, zum Beispiel der Bericht des Weltbiodiversitätsrates oder der Rechenschafts- und Indikatorenbericht zur Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt in Deutschland, zeigen, dass das globale Artensterben heute mindestens dutzende bis hunderte Male größer ist als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre. Allein in Deutschland gibt es einen Verlust der Insektenbiomasse von 75% zu verzeichnen. Auch in einem der artenreichsten Gebiete der Erde, dem Regenwald, verschwinden täglich durch Abholzung und Landumnutzung endemische Arten aus dem Ökosystem.

Ursachen

Ein Hauptgrund für den Rückgang der Artenvielfalt ist die intensive landwirtschaftliche Nutzung von (Groß-)Flächen. Durch die Umwandlung von Grünland in Ackerland, den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden sowie die Konzentration auf wenige ertragreiche (Mono-)Kulturen und Tierrassen, werden Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten zerstört oder stark beeinträchtigt.

Zudem wird ein Großteil der Agrarflächen für die intensive Massentierhaltung genutzt, bei welcher, im Gegensatz zur extensiven Weidelandbewirtschaftung, Dauergrünland verloren geht und viele Arten aus ihren Lebensräumen verdrängt werden. In Mitteleuropa sind bodenbrütende Vögel wie die Feldlerche und der Kiebitz sowie Bestäuber, bspw. Wildbienen besonders betroffen. Grund dafür ist u.a., dass aus Effizienzgründen viele Betriebe bereits sehr früh im Jahr mit der Mahd beginnen, wobei viele der Nester und Unterschlüpfe zerstört werden. Ebenfalls hat das Zusammenlegen von Ackerflächen negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt, denn auf immer größeren Ackerflächen ohne Hecken, Feldgehölzen und kleineren Feldbiotopen schaffen es viele Insekten nicht mehr bis zum nächsten geeigneten Lebensraum zu gelangen und können so nicht mehr genug Nahrung und Partner zur Fortpflanzung finden.

Problematisch für die Biodiversität ist auch die geringe Vielfalt der angebauten Kulturpflanzen. Angebaut werden meist einige wenige Hochleistungssorten in Monokulturen, wodurch viele Insekten aussterben, die auf andere Pflanzenarten spezialisiert sind und die Pflanzen anfälliger für Krankheiten werden. Zudem kommen mehr Düngemittel und Pestizide zum Einsatz, wodurch Böden und umliegende Gewässer samt ihrer Fauna mit Schadstoffen belastet werden. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Banane, denn von ihren vielen verschiedenen Sorten wird fast ausschließlich die süße und kernfreie Sorte „Cavendish“ angebaut. Seit einiger Zeit leiden große Bananenplantagen jedoch regelmäßig an Pilzbefall, welcher den Anbau der beliebten Frucht bedroht. Mehr zum Thema Cavendish-Banane hier.

Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität

Um die Biodiversität in Agrarökosystemen zu schützen und zu fördern, sind vielfältige und umfassende Maßnahmen erforderlich. Zum einen ist es wichtig Fruchtfolgen zu diversifizieren und Monokulturen zu reduzieren, denn durch den Anbau unterschiedlicher Kulturpflanzen in abwechslungsreichen Fruchtfolgen wird die Bodenfruchtbarkeit verbessert und das Risiko von Schädlingsbefall verringert. Eine größere Pflanzenvielfalt unterstützt zudem eine reichhaltigere Fauna und Flora. Zum anderen ist die Schaffung von Rückzugsräumen für Tiere durch Blühstreifen, Biokorridore und Agroforstelemente wie Hecken und Gehölze unerlässlich, denn sie bieten wertvolle Lebensräume für viele Tierarten. Je mehr unterschiedliche Landschaftselemente vorhanden sind, desto größer ist auch die Zahl der Arten.

Der ökologische Landbau hat sich als besonders vorteilhaft für die Biodiversität erwiesen. Studien, wie der Thünen Report 65, zeigen positive Effekte auf die Ackerflora, Bodenfruchtbarkeit, Wasserschutz und das Klima. Der Verzicht auf chemische Pestizide und synthetische Düngemittel sowie der Einsatz vielfältiger Fruchtfolgen und natürlicher Dünge- und Pflanzenschutzmethoden tragen erheblich zur Biodiversität bei. Zudem fördern die Verbände des Ökolandbaus den Erhalt genetisch vielfältiger und an regionale Bedingungen angepasster Pflanzensorten und Tierrassen, was zur kulturellen und biologischen Vielfalt beiträgt und die Resilienz der Agrarsysteme stärkt.

Ein Nachteil des Öko-Landbaus sind allerdings die zum Teil erheblich geringeren Erträge im Vergleich zur konventionellen Bewirtschaftung. Um die Gesamterntemengen auf dem gleichen Niveau zu halten, wird deshalb deutlich mehr Fläche benötigt. Wenn man nun bedenkt, dass drei Viertel der globalen landwirtschaftlichen Fläche als Weide- und Ackerland für die Produktion von Tierfutter genutzt wird, damit jedoch nur 18 % der weltweiten Kalorien- und 37 % der Proteinzufuhr gedeckt werden, wird einem schnell klar: Diese Art der Landnutzung ist ineffizient und nicht nachhaltig. Das übrige Viertel der Fläche wird für den Anbau von pflanzlichen Lebensmitteln für den menschlichen Verzehr genutzt. Dieser wiederum liefert den eigentlichen Großteil der weltweiten Kalorien- und Proteinzufuhr. Daher ist es sinnvoll, die Nachfrage nach nachhaltigen und biodiversitätsfreundlichen Produkten zu steigern, indem man versucht, den Konsum tierischer Produkte so weit wie möglich zu reduzieren und beim Einkauf auf vielfältige, insbesondere alte und regionale Sorten zurückzugreifen.

Nicht zuletzt kann der Druck auf landwirtschaftliche Flächen und Ressourcen durch effizientere Nutzung von Lebensmitteln und die Reduzierung von Verlusten entlang der gesamten Wertschöpfungskette verringert werden, was letztlich auch der Biodiversität zugutekommt.

Fazit

Die Erhaltung der Biodiversität ist entscheidend für das ökologische Gleichgewicht und das Wohlergehen von Mensch und Natur. Durch nachhaltigere landwirtschaftliche Praktiken, verbesserte Flächennutzung und die Erhaltung bzw. Schaffung von Lebensräumen für verschiedene Arten, können biodiverse Agrarökosysteme bewahrt und gefördert werden. Dies bedeutet eine notwendige Veränderung des Konsums und der Produktion sowie die Reduzierung von Lebensmittelverlusten im Haushalt und entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Quellen