Das Thema der Masterarbeit haben wir vergeben, um herauszufinden, wie viel besser die ökologische Produktion von Lebensmitteln im Gegensatz zur konventionellen Erzeugung ist. Liegt der Fokus jedoch rein auf den Treibhausgasemissionen, ist die Enttäuschung schnell groß: biologisch arbeitende Betriebe haben nicht automatisch die bessere Klimabilanz, jedenfalls nicht, was die Berechnung von CO2-Äquivalenten angeht.
Die gesamte Masterarbeit von Samuel Fast zum Thema “Treibhausgasemissionen ökologisch und konventionell erzeugter Lebensmittel” kann hier nachgelesen werden.
Der Ansatz, Emissionen von Treibhausgasen zu messen, erscheint richtig und logisch, schließlich sind die vom Menschen verursachten Treibhausgase, die sich in der Atmosphäre anreichern, Hauptgrund für die Klimaveränderung – da ist sich die wissenschaftliche Gemeinschaft einig. Die Landwirtschaft trägt dabei in erheblichem Umfang zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Der Anteil der Landwirtschaft an den deutschen Gesamtemissionen liegt bei 7,4% (Stand 2020). Die Bundesregierung plant bis zum Jahr 2030 die Emissionen im Sektor Landwirtschaft im Vergleich zum Niveau des Jahres 1990 um 31-34 % zu senken, wobei bis zum Jahr 2018 ungefähr 20 % Minderung erreicht waren. Um die Emissionen der Landwirtschaft zu senken, wird oft die ökologische Wirtschaftsweise als ein Lösungsansatz diskutiert.
Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die Förderung des Bodenlebens und der Bodenfruchtbarkeit im Ökolandbau führt zu einer höheren Kohlenstoffspeicherung in den Böden. Weiterhin werden durch Obergrenzen für die Tierhaltung die Lachgasemissionen verringert. Durch Maßnahmen zur Steigerung der Tiergesundheit und des Tierwohls soll außerdem die Nutzungsdauer der Tiere verlängert und so die anteiligen Emissionen der Aufzuchtphase verringert werden. Schließlich wird vermutet, dass die Prinzipien der Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu geringeren Emissionen aus vorgelagerten Prozessen (z. B. bei der Herstellung von Betriebsmitteln) führen. Unter anderem wegen dieser Unterschiede liegen die flächenbezogenen Treibhausgasemissionen in der ökologischen Landwirtschaft unter denen der konventionellen. Auf der anderen Seite erbringt der Ökolandbau aber auch geringere Erträge – laut einer Metaanalyse aus dem Jahr 2012 sind die Erträge von ökologisch bewirtschafteten Ackerflächen im Durchschnitt 25 % geringer als die von konventionell bewirtschafteten Flächen.
Die Diskrepanz zwischen den Vorteilen der ökologischen Bewirtschaftung auf der einen Seite und den geringeren Leistungen in dieser Produktionsweise auf der anderen Seite zeigt auch diese Studie. Insgesamt wurden die produktbezogenen Emissionen von 12 Betrieben, die Eier, Rindfleisch oder Milch produzieren und um Frankfurt/Main herum angesiedelt sind, berechnet. Als Berechnungsmodell diente eine angepasste Lebenszyklusanalyse. Für jedes
Produkt wurden je zwei ökologische und zwei konventionelle Betriebe untersucht – abgesehen von den Eiern, hier wurden drei konventionelle und nur ein ökologischer Betrieb untersucht.
Die Emissionen aus der Herstellung des Futters sowie die Produktionsleistung pro Tier hatten dabei den größten Einfluss auf das Gesamtergebnis.
In der Rindermast verursachen die beiden ökologisch wirtschaftenden Betriebe deutlich geringere Treibhausgasemissionen pro kg Rindfleisch als die konventionell wirtschaftenden. Als Hauptgrund für diese Differenz wurde die extensive Auslaufhaltung mit einer hohen Weidehaltungsdauer identifiziert, da diese den Futterbedarf und die daraus entstehenden Emissionen deutlich verringert. Daher lässt sich für die Rindfleischproduktion folgern, dass eine mit extensiver Auslaufhaltung verbundene ökologische Erzeugung am umweltfreundlichsten ist.
Ferner sollte zur Verringerung der Emissionen die Weidehaltungsdauer erhöht werden. Für die Milchviehhaltung lässt sich hingegen keine eindeutige Aussage treffen. Auch hier weisen die ökologischen Betriebe durch Weidehaltung und eingeschränkte Kraftfuttergaben erheblich geringere Futteremissionen als die konventionellen Betriebe auf. Diese Unterschiede in der Fütterung wirken sich aber deutlich auf die Milchleistung aus, die bei den ökologischen Betrieben daher erheblich geringer ist. Die Emissionen pro kg Milch liegen deshalb auf einem ähnlichen Niveau wie die der konventionellen Betriebe, sodass weder die ökologische noch die konventionelle Wirtschaftsweise als umweltfreundlicher zu bewerten ist. Eine Erhöhung der Futtereffizienz (Futtereinsatz pro Liter produzierter Milch) scheint ein vielversprechender Ansatz zur Emissionsminderung zu sein.
Bei den Eiern sind die Unterschiede zwischen ökologisch und konventionell hingegen wieder sehr deutlich: Der einzige untersuchte ökologische Betrieb verursacht die meisten Emissionen pro kg Eier. Dies liegt an seinem hohen Futtereinsatz und der geringen Legeleistung seiner Hühner. Auf Basis dieser Ergebnisse ist die konventionelle Wirtschaftsweise bei der Eierproduktion als umweltfreundlicher zu beurteilen. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass der Bio-Betrieb Zweinutzungsrassen hält und diese Rasse zusätzlich als Fleischlieferant dient. Das benutzte Berechnungsmodell enthält jedoch keine Emissionsfaktoren für die Gutschriften für Schlachthennen und konnte so nicht berücksichtigt werden.
Um möglichst geringe Emissionen zu erreichen, sollte auf eine hohe Legeleistung der Hennen sowie einen sparsamen bzw. effizienten Einsatz der Futtermittel geachtet werden.
Die Ergebnisse decken sich mit ähnlichen Studien, s. auch hierzu Beiträge von Prof. Dr. Windisch der TU München.
Vorliegende Studie ist jedoch relativ klein mit 12 Betrieben, die noch dazu eher kleine Landwirtschaftsbetriebe sind. Bei den Fallstudien zur Rindfleischproduktion verfügt ein Hof über 250 Rinder, alle anderen Höfe nur über Rinderherden im zweistelligen Bereich. Keiner der Milchviehbetriebe hält mehr als 150 Kühe und bei der Legehennenhaltung hält nur der Hof EK3 über 3.000 Hühner. Damit wurden kaum Betriebe mit industrieller Tierhaltung untersucht. Auch konnten aufgrund des Berechnungsmodells bzw. den Grenzen der Arbeit weder die Besonderheiten der untersuchten Betriebe berücksichtigt werden, wie bspw. die Haltung von Zweinutzungsrassen oder die hofeigene Futterherstellung, noch flossen Emissionen aus vorgelagerten Produktionen, wie die von Antibiotika, ein.
Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt des Berechnungsmodells – der Lebenszyklusanalyse – ist, dass Tierhaltungen im Stall mit Ackerfutter oft besser bewertet werden als Weidehaltung, da sie weniger Fläche verbrauchen. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass Weidehaltung oft auf Flächen stattfindet, die wegen des Terrains (z.B. zu steil), wegen des Bodens (z.B. zu steinig) oder wegen der Wetterbedingungen (z.B. zu trocken) gar nicht für Ackerbau geeignet sind und daher nicht in Konkurrenz zu anderen landwirtschaftlichen Nutzungen stehen. Auch hat Dauergrünland im Vergleich zu Ackerland eine höhere Bedeutung für die Artenvielfalt, größeres Potenzial zum Aufbau von Humus (und damit zur CO2-Bindung) und zur Verminderung von Wassererosion sowie eine höhere Wasserspeicherkapazität etc.
Die Landwirtschaft nur aufgrund von dem Ausstoß von Treibhausgasen zu beurteilen und demnach sein Kaufverhalten anzupassen, greift zu kurz. Gerade die ökologische Landwirtschaft kann positive Umweltwirkungen erbringen, u.a.
- Wasserschutz: Verringerung der Stoffeinträge mit giftiger bzw. umweltschädlicher Wirkung in Grund-/Oberflächenwasser
- Bodenfruchtbarkeit: Erhalt der Fruchtbarkeit des Bodens durch angepasste Bodenbearbeitung, Düngung und Fruchtfolgen
- Biodiversität: Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt
- Klimaschutz: Reduktion der Treibhausgasemissionen
- Klimaanpassung: Erosionsschutz und Verringerung der Überschwemmungsgefahr
- Ressourceneffizienz: Sparsamer Umgang mit den Ressourcen Stickstoff und Energie
- Tierwohl: Förderung der Tiergesundheit, der Ausführung natürlicher Verhaltensweisen und des Tierbefindens
Der Ausstoß von Triebhausgasen betrifft demnach nur eine von insgesamt sieben Umweltwirkungskategorien, die in der Landwirtschaft beachtet werden müssen.
Die Studie hat uns erneut gezeigt, dass Berechnungen und Modelle nur einen kleinen Teil des Gesamtbildes darstellen können – zwar gibt die Berechnung von Treibhausgasen mit Hilfe vorhandener Berechnungsmethoden sicher ein gutes erstes Bild, doch die Interpretation der Ergebnisse sowie deren Veröffentlichung ist mindestens genauso wichtig.
Wir als Verbraucher:innen dürfen unsere Kaufentscheidungen heute nicht mehr leichtfertig treffen. Wir sollten genau hinschauen, wie die Produkte, die wir konsumieren, produziert werden, wir sollten uns informieren und wenn möglich mit den Produzent:innen in den Dialog gehen. Ernährungsräte können hier eine wichtige Unterstützung bieten, zum einen, weil sie Landwirt:innen und Verbraucher:innen in den Dialog bringen, zum anderen, weil sie Informationen sammeln und für Bürger:innen auswerten können.
Entsprechende Quellen, die für den Blogbeitrag genutzt worden sind, sind in der Masterarbeit zu finden.